Die 5 Sprachen der Liebe kritisch betrachtet

Es gilt als Standard-Werk in der Paarberatungs- und Coaching-Szene: das Buch ‚Die 5 Sprachen der Liebe‘ von Gary Chapman. Aber wie ein Messer, kann man das Tool für die Beziehung oder gegen die Beziehung anwenden. Meine Kritik an den Liebessprachen liest du hier.

Liebessprachen: Aller Anfang ist multilingual

Zu Beginn einer jeden Beziehung sind wir schwer verliebt. Wir sprechen nicht nur fünf, sondern gefühlt fünfhundert Liebessprachen fließend, können uns kaum voneinander trennen, wollen das Bett nicht verlassen, überhäufen uns mit Komplimenten, Lob und Geschenken und lieben es, rund um die Uhr Zeit zusammen zu verbringen.

In der Verliebtheitsphase sind wir also – metaphorisch gesprochen – multilingual. Zu verdanken haben wir das einem ganz speziellen Hormoncocktail, der uns rund um die Uhr durchflutet, wenn wir die ‚(neue) Liebe unseres Lebens‘ kennengelernt haben. Doch dieser Hormoncocktail verliert irgendwann seine Wirkung.

Nach maximal zwei Jahren verschwindet auch das größte Verliebtheitsgefühl und wir sind nun gefordert, den Übergang in eine ganz alltägliche Paarbeziehung zu meistern. Spätestens dann wird uns bewusst: Unser Partner/Unsere Partnerin spricht vielleicht doch nicht jede unserer Liebessprachen fließend.

Energiesparmodus im Gehirn

Dass wir nach dem Anfangs-High irgendwann auf den Boden der Tatsachen plumpsen, macht biologisch absolut Sinn. Kein Körper hält es aus, einen derartig starken Hormon-Cocktail das ganze Leben lang zu produzieren.

Sobald wir also merken, dass wir uns nicht mehr permanent um unseren Partner bzw. unsere Partnerin bemühen müssen, dass wir ihn/sie nicht mehr beeindrucken müssen, dass wir nicht mehr beweisen müssen, wie toll wir sind, schaltet unser Gehirn ganz automatisch auf Sparflamme. Denn wozu sollten wir auch unnötig Energie verbrauchen, wenn wir uns unserer Beziehung jetzt sicher sein können?

Wozu sollten wir noch vortäuschen, fünfhundert Liebessprachen zu sprechen, wenn doch nun ein oder zwei auch völlig ausreichen? Problematisch kann es jetzt allerdings werden, wenn diese ein oder zwei Sprachen der Liebe, die wir auch im Alltag aus dem Effeff beherrschen, sich nicht mit den Liebessprachen unseres Partners/unserer Partnerin decken – und diese/r irgendwann die Frage stellt: „Liebst du mich überhaupt noch?“

Die 5 Sprachen der Liebe nach Gary Chapman

Der amerikanische Anthropologe und Paarberater Gary Chapman unterscheidet in seinem Standard-Werk die berühmten 5 Sprachen der Liebe (Zusammenfassung):

1. Lob und Anerkennung: Wir sprechen diese Sprache, wenn es uns leichtfällt, dem eigenen Partner/der eigenen Partnerin Komplimente zu machen, viel zu kommunizieren, uns mit dem Innenleben des/der anderen bewusst auseinanderzusetzen und tiefe Gespräche zu führen.

2. Zeit zu zweit: Wenn wir großen Wert darauf legen, Quality-Time mit unserem Partner/unserer Partnerin zu verbringen, ist dies unsere bevorzugte Liebessprache. Es ist uns dann wichtig, auch mal ohne die Kinder auszugehen, einen Urlaub nur zu zweit zu verbringen bzw. im Alltag immer wieder Termine einzuplanen, an denen es ausschließlich um uns als Paar geht.

3. Geschenke von Herzen: Diese Sprache sprechen wir fließend, wenn wir es lieben, unseren Partner/unsere Partnerin mit Geschenken zu überraschen – und zwar nicht nur an den ‚großen Feiertagen‘. Wir nehmen immer wieder gerne Blumen mit, haben oft kreative oder ausgefallene Geschenkideen und es macht uns Freude uns zu überlegen, was dem/der anderen gefallen könnte.

4. Hilfsbereitschaft: Dem Partner/Der Partnerin hier und da eine Aufgabe abzunehmen, ihn/sie zu entlasten und freiwillig Hilfe anzubieten, ist ebenfalls ein Ausdruck von Liebe und Aufmerksamkeit. Damit möchten wir signalisieren: „Ich sehe dich und ich unterstütze dich in dem, was dir wichtig ist.“

5. Zärtlichkeit: Wer diese Liebessprache spricht, dem geht es nicht nur um viel Sex, sondern vor allem um intensive körperliche Nähe. Kuscheln vor dem Fernseher, dem/der anderen immer mal wieder über den Rücken streichen, Hand in Hand spazieren gehen, Arm in Arm einschlafen – all das tun wir, wenn wir auf Zärtlichkeit und Körperkontakt großen Wert legen.

Wenn ein Spanier und ein Finne…

In den meisten Fällen tendieren wir alle zu einer oder zwei der 5 Sprachen der Liebe. Diese sind für uns natürlich. Es fällt uns leicht, dadurch unsere Aufmerksamkeit und Wertschätzung für den/die andere auszudrücken – es sind quasi unsere ‚Muttersprachen‘. Wenn wir nun nach der ersten Verliebtheitsphase zu diesen Muttersprachen heimkehren, dann ist dies kein Problem, sofern unser Partner/unsere Partnerin dieselben Sprachen spricht.

Treffen sich allerdings ein Spanier und ein Finne, könnte es unter Umständen früher oder später (sobald man die gemeinsame Zeit nicht mehr ausschließlich im Bett verbringt…) zu Kommunikationsproblemen kommen. Aus diesem Grund hat Gary Chapman sein Beziehungstool ursprünglich geschaffen: Es sollte Paaren dabei helfen, sich gegenseitig zu verstehen, auch wenn unterschiedliche ‚Liebes-Muttersprachen‘ aufeinandertreffen.

„Bemüh‘ dich doch, meine Liebessprache zu lernen!“

Was ich jedoch in meiner Paarberatungs-Praxis sehr häufig beobachte, sind Paare, die sich auf genau diese Liebessprachen berufen, um damit dem/der anderen ständig unter die Nase zu reiben, was er/sie nicht tut.

„Jetzt haben wir doch schon analysiert, dass ich es liebe, Geschenke zu bekommen – warum macht er es denn noch immer nicht?“, „Sie weiß doch, dass ich viel Körperkontakt brauche, wieso kuschelt sie denn nicht mit mir?“, heißt es dann in den Coachings.

Genau an diesen Stellen geht der berühmte Schuss nach hinten los. Denn das Tool der Liebessprachen ist eben nicht dafür da, dem/der anderen vorwurfsvoll zu verlautbaren, was er/sie bitte endlich tun soll, sondern dafür zu sehen, was er/sie bereits tut, ohne, dass wir es vielleicht bewusst bemerken. In dem Moment, wo wir vom anderen etwas verlangen, bewirken wir genau das Gegenteil von dem, was wir wollen: Wir schaffen keine Verbindung, sondern wir machen Druck.

Nicht jeder ist ein Sprachtalent

Denn nur, weil es uns vielleicht wahnsinnig leichtfällt, tiefe Gespräche zu führen und Komplimente zu machen, heißt das nicht, dass das für unser Gegenüber auch der Fall ist. Nur, weil wir gerne Geschenke machen, bedeutet das nicht, dass auch unser Partner/unsere Partnerin so kreativ ist. Es kann unglaublich anstrengend und schwer sein, eine neue Sprache zu erlernen. Wenn wir jedoch genau diese Anstrengung von unserem Partner/unserer Partnerin erwarten, dann tragen wir damit nicht unbedingt zu einer lockeren, leichten und liebevollen Beziehung bei.

Wenn du alleine lernen möchtest, mit deinen Herausforderungen in deiner Partnerschaft umzugehen, sind meine Kurse genau richtig:

5 Sprachen der Liebe Kritik

Hinter einer solchen Erwartungshaltung an unser Gegenüber steckt meist der Glaube, er/sie würde uns einfach nicht wirklich zu 100% lieben. Was wir deshalb brauchen: Beweise!

  • „Wenn er mir Geschenke macht, dann liebt er mich!“,
  • „Wenn wir jede Woche vier Mal Sex haben, dann liebt sie mich!“,
  • „Wenn wir täglich stundenlange Gespräche führen und er mir immer wieder sagt, wie sehr er mich bewundert, dann liebt er mich!“

Wenn du dich bei dem einen oder anderen dieser Gedanken erwischst, dann darfst du dir die Frage stellen: Wäre das denn wirklich so? Wärst du wirklich erst von der Liebe deines Partners/deiner Partnerin überzeugt, wenn er/sie dieses oder jenes regelmäßig täte? Oder würdest du dann – sobald dein Wunsch erfüllt ist – prompt etwas anderes brauchen? Meiner Erfahrung nach versuchen wir, ein Fass ohne Boden zu füllen, wenn wir nicht den entsprechenden Glaubenssatz dahinter auflösen.

„Ich gehe davon aus, dass du mich liebst.“

Wenn du die Überzeugung „Du liebst mich nicht genug“ durch den Glaubenssatz „Ich gehe davon aus, dass du mich liebst“ ersetzt, dann kann dein Gehirn anfangen, genau dafür Beweise zu suchen. Dann erst können wir die Liebessprachen des/der anderen erkennen und wahrnehmen, wie oft er/sie uns eigentlich im Alltag seine/ihre Liebe beweist.

Im Liebe Leben Premium Membership tun wir genau das! Wir überprüfen die schädlichen Glaubenssätze und ersetzen sie mit den besseren Gedanken. Dann merken wir: „Wow, er hat mir gerade über den Rücken gestreichelt, er tut das eigentlich total oft…“, oder „Hey, sie nimmt sich jedes Wochenende Zeit, um gemeinsam mit mir essen zu gehen, das ist schon ziemlich romantisch…“, usw.

In Wahrheit also bist es immer du, der/die entscheidet, wie du das Verhalten deines Partners/deiner Partnerin interpretierst. Bist du gewillt, die Liebe und Aufmerksamkeit zu sehen, die er/sie dir gibt, oder möchtest du lieber permanent nach Beweisen suchen, dass du zu wenig davon bekommst?

Die 5 Sprachen der Liebe – Erfindergeist

Und wer sagt überhaupt, dass ihr als Paar nur fünf Liebessprachen sprechen dürft? Ich halte es immer für besonders cool und witzig, wenn sich Paare dafür entscheiden, ihre eigenen Regeln zu aufzustellen. Wie wäre es zum Beispiel, wenn ihr eure individuelle Beziehungssprache erfindet? Wenn ihr mit den verschiedenen Sprachen experimentiert? Wenn ihr in unterschiedlichen Beziehungen (auch außerhalb der Partnerschaft), unterschiedliche Sprachen übt, usw.?

So wie viele andere Coaching-Tools, sind auch die Sprachen der Liebe ‚nur‘ ein Handwerkszeug, das euch dabei helfen kann, eure Beziehungs- und Verhaltensmuster besser zu verstehen. Lasst dieses Werkzeug also nicht zu einem Liebeskiller, sondern besser zu einer inspirierenden Bereicherung für eure Partnerschaft werden!

Denn wie immer heißt es: Leben darf leicht gehen und Spaß machen. Liebe auch!

Herzlichst,
Melanie

Du hast Fragen?

…werde Mitglied im Liebe Leben Premium Membership.

Dort kannst du anonym Fragen stellen und Antworten bekommen, du kannst Workshops besuchen und die Aufzeichnungen aller Coaching- und Q&A-Calls anschauen. Damit bekommst du genau das Coaching, das dich weiterbringt, ohne dass du selbst gecoacht werden musst. Und natürlich kannst du auch ein Coaching (und einen liebevollen Tritt in den A…) bekommen, wenn du das möchtest. Alle Online-Kurse sind in LLP enthalten.

Ähnliche Beiträge