Richtig Zuhören

Gerade in Krisen und Konfliktsituationen (Affäre ist aufgeflogen, Streit in der Partnerschaft, Frage nach Trennung, etc.) kommen wir häufig mit unseren alten bzw. gewohnten Kommunikationsstrategien nicht weiter.

Denn besonders wenn es ‘ums Eingemachte’ geht und beide Partner*innen verletzt bzw. emotional sehr herausgefordert sind, greifen wir häufig auf ungesunde Kommunikationsmuster zurück.

Es ist uns dann oft wichtiger, unsere eigene Sichtweise um jeden Preis zu vertreten, statt auch die Perspektive der anderen Person zu hören bzw. gelten zu lassen.

Und es muss nicht einmal immer um ganz krasse Themen oder Krisen gehen.
Auch bei scheinbar kleinen Alltagsstreitigkeiten beharren wir oft darauf, dass wir selbst Recht haben und die andere Person sich gefälligst so zu verhalten hat, wie uns das in den Kram passt – ganz egal, was deren Meinung oder Perspektive ist.

Wenn wir aber langfristig erfüllende Partnerschaften führen möchten, und besonders wenn es darum geht, Beziehungskrisen zu überwinden, dann ist es wichtig zu lernen, manchmal ein wenig von unserem eigenen Standpunkt zurückzutreten und uns zu öffnen für die Sichtweise unseres Gegenübers.

Egal, ob die uns passt oder nicht.

Hier dürfen wir uns oft zum ersten Mal mit dem Thema Zuhören auseinander-setzen.

In diesem Blogartikel sehen wir uns an, wie es dir gelingen kann, besser zuzuhören und dadurch Konflikte konstruktiver zu führen, gegenseitiges Verständnis zu entwickeln und dich selbst für neue Perspektiven auf die jeweilige Situation zu öffnen.

Zum Nachdenken…

“Warum werden wir im Streit oft laut und schreien uns an, obwohl wir doch direkt nebeneinander im gleichen Raum stehen? Eigentlich müssten wir ja nicht schreien. Wir befinden uns ja nicht 700 Meter voneinander entfernt am offenen Feld. Die Antwort ist: Wenn wir im Streit bzw. im Konflikt sind, dann fühlen wir uns von der anderen Person nicht gehört und wahrgenommen. Deshalb müssen wir laut werden, um uns verständlich zu machen. Wenn wir uns jedoch von einer anderen Person verstanden und gesehen/gehört fühlen, dann müssen wir häufig gar nichts sagen bzw. können ganz ruhig und leise sprechen, und spüren trotzdem, dass unsere Worte ankommen.”

In Beziehungen streben wir generell immer nach Verbindung. Das liegt in der Natur des Menschen, denn wir sind Herdentiere und keine Einzelkämpfer. Deshalb ist es uns ein inneres Bedürfnis, von anderen Menschen angenommen und gesehen zu werden. Wenn dieses Bedürfnis in unseren Beziehungen nicht erfüllt wird, fühlen wir uns schlecht, wütend, ausgeschlossen, verletzt, etc.

Wie gelingt es uns also – gerade in Beziehungen, die uns sehr wichtig sind – die Verbindung zueinander zu stärken und zu bewahren, auch wenn wir vielleicht gerade eine Meinungsverschiedenheit haben?

Die Antwort ist: Uns eben nicht stur auf unsere Meinung einzuschießen und Augen und Ohren zu verschließen, sondern zu beginnen, zuzuhören.


Und dazu habe ich hier einige Tipps für dich:

1) Plant Gesprächszeiten

Eine einfache aber sehr wirksame Methode ist es zum Beispiel, euch einen Timer zu stellen. 10 Minuten darf eine Person sprechen, während die andere Person nur zuhört – nicht reagiert, nicht unterbricht, keine Fragen stellt, usw. Sondern einfach nur da ist und hört. Nach 10 Minuten wird gewechselt.

Was damit passiert, ist, dass ihr eure gewohnte Reiz-Reaktionskette unterbrecht. Es ist unglaublich, wieviel unnötige Anstrengung und wie viele unnötige Worte wegfallen, wenn wir wissen, dass die andere Person uns nicht unterbrechen wird.

Wenn ihr diese Übung zum ersten Mal probiert, werdet ihr erstaunt sein, wie schnell man oft zum tatsächlichen Kern eines Problems dringt und wieviel unserer täglichen Kommunikation eigentlich nur ein Reden um den heißen Brei bzw. ein Abspulen von gewohnten ‘Worthülsen’ ist, das wir uns irgendwann angewöhnt haben.

Ihr werdet außerdem merken, wie lange eigentlich 10 Minuten sein können, wenn sie wirklich euch gehören und ihr nicht (gefühlt) darum kämpfen müsst.

2) Signalisiert wohlwollendes Interesse

Es ist ein normaler Prozess – vor allem in anstrengenden Gesprächen -, dass der Mensch, der gerade spricht, nicht sofort alles exakt so formulieren kann, wie er*sie es meint.

Ganz häufig kommen uns erst während des Aussprechens von Gedanken und Problemen neue Erkenntnisse. Wir finden nicht immer gleich die passenden Worte und drehen uns manchmal im Kreis.

Als Zuhörende ist es wichtig, das zu wissen.

Das bedeutet: Nicht bei der ersten (für uns) ‘falschen’ Wortwahl an die Decke zu gehen, sondern stattdessen offen zu bleiben und der anderen Person auch die Zeit zu geben, die eigenen Gedanken ordnen und formulieren zu können.

Hier kann es helfen, als zuhörende Person Fragen zu stellen. Zum Beispiel:

  • Wie meinst du das?
  • Verstehe ich es richtig, dass…?
  • Worauf beziehst du dich genau?
  • Für mich klingt das, als ob… Stimmt das, oder habe ich dich missverstanden?

Wenn die sprechende Person sich in Emotionen verheddert oder gerade nicht gut ausdrücken kann, was in ihr vorgeht, kannst du ihr als Zuhörender auf die Sprünge helfen, indem du einfach deine Beobachtungen mitteilst, ohne diese zu bewerten. Zum Beispiel:

  • Es sieht so aus, als würde dir das gerade sehr nahe gehen.
  • Du wirkst wütend.
  • Ich habe dein Eindruck, dass dich etwas gerade traurig macht.

Dadurch signalisierst du als zuhörende Person, dass du emotional anwesend bist, auch wenn dein Gegenüber gerade Probleme damit hat, Dinge in Worte zu fassen.

3) Holt euch selbst zurück, wenn ihr abdriftet

Der australische Autor und Speaker Oscar Trimboli hat sich tief mit dem Thema Zuhören auseinandergesetzt: Podcast: Deep listening, Bücher: How to listen, Deep listening, www.oscartrimboli.com

Er unterstreicht zum Beispiel die Tatsache, dass wir als Zuhörende zirka 400 Wörter pro Minute verstehen können, während die kommunizierende Person im Schnitt nur 125 Wörter pro Minute sagen kann.

Das bedeutet, als zuhörende Person sind wir sehr verleitet, ständig abzudriften, uns unsere eigenen Gedanken zu machen, Schlüsse zu ziehen und in unserem Gehirn schon an irgendeiner völlig anderen Stelle zu landen.

Um besser zuzuhören kannst du üben, dich immer wieder zurückzuholen, wenn du abdriftest, und deinem Gegenüber wieder deine volle Aufmerksamkeit zu schenken.

Wenn du alleine lernen möchtest, mit deinen Herausforderungen in deiner Partnerschaft umzugehen, sind meine Kurse genau richtig:

4) Reflektiert euch selbst

Was dir auch dabei helfen kann, besser und bewusster zuzuhören, ist, dich selbst zu verstehen. Denn wir alle haben unterschiedliche Kommunikations- und damit auch ‘Zuhörmuster’ erlernt.

  • Manche Menschen hören zum Beispiel zu und sehen sich dabei selbst gern in der Rolle der Beraterin oder des Psychologen. Sie versuchen sofort, das Gehörte zu analysieren und dann Hilfestellungen anzubieten.
  • Andere wiederum beziehen alles, was gesagt wurde, sofort auf sich selbst und beschäftigen sich dann mit ihren eigenen Gedanken, anstatt mit der Aufmerksamkeit bei der Erfahrung der anderen Person zu bleiben.
  • Es gibt Menschen, die auf kleinste Details hören, und dabei haften bleiben, anstatt auf den Gesamtkontext der erzählenden Person zu achten.
  • Oder Menschen, die sehr schnell und viel unterbrechen und die Sätze der anderen Person zu Ende sprechen, weil sie denken, schon alles verstanden zu haben.
  • usw.

In diesem Zusammenhang hilft es zum Beispiel auch zu verstehen, dass Männer und Frauen grundsätzlich anders zuhören:

  • Frauen fokussieren sich beim Zuhören eher auf die Beziehung und die Emotionen. Sie möchten mitfühlen und verstehen,
  • während Männer häufig zuhören, um Probleme zu lösen.

Um besser zuzuhören, macht es Sinn zu verstehen, wie du selber tickst und eventuell deine eigenen Gewohnheiten zu hinterfragen oder zu verändern. Wie wäre es zum Beispiel, wenn du das, was die andere Person sagt, nicht sofort persönlich nimmst? Oder wenn du im nächsten Gespräch nicht versuchen würdest, sofort eine Lösung anzubieten oder die andere Person zu analysieren? etc.

5) Wo wären die ‘Großbuchstaben’?

Und zum Schluss noch ein Tipp – ebenfalls von Oscar Trimboli – den ich sehr witzig und hilfreich fand.

Er sagt: Wenn du die andere Person in der Tiefe verstehen möchtest, dann stell dir vor, das, was sie erzählt, würde als Text vor dir geschrieben stehen.

Welche Passagen davon würden nun in Großbuchstaben erscheinen? Oder auch: Welche Passagen wären mit einem Highlighter markiert?

Durch diese einfache Herangehensweise kannst du oft sehr schnell herausfiltern, was deinem Gegenüber wirklich wichtig ist, was in seinen*ihren Augen Priorität hat und unbedingt bei dir ankommen sollte.

Wie in vielen anderen Lebensbereichen braucht es auch beim Thema Zuhören Geduld und Übung, um alte Gewohnheiten abzulegen und neue zu etablieren.

Du kannst dir zum Thema Kommunikation gerne auch die 2-teilige Miniserie ‘Kommunikation aus der Hölle’ auf meinem Podcast anhören.


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