Freundschaft mit dir selbst

Zu diesem Artikel gibt es eine Podcastfolge. Diese Folge war sozusagen eine ‚Antwort‘ auf einen Podcastwunsch, der mich per Mail erreicht hat.

Ich wurde gefragt, wie es funktionieren kann, freundschaftlich mit sich selbst umzugehen. Die Dame hat geschrieben:

„Ich höre Deinen Podcast rauf und runter und Du hilfst mir ganz doll, weil Du mir eine „Erlaubnis“ gibst, die ich mir in vielen Lebenslagen gar nicht gebe. Ich bewerte meine Gefühle ständig! Schrecklich!

  • Ich will mich von meiner besten Freundin lösen, weil mir die Freundschaft nicht mehr dient und ich geissel mich, weil ich mich als egoistisch und als „nicht gute Freundin“ bewerte.
  • Meine Kollegin geht in Rente und ich freue mich. Ich freue mich, dass ich eine neue Kollegin habe, frischer Wind im Büro ist und ich geissel mich, dass ich nicht wehmütig bin.
  • Ich bin fremdverliebt und gleichzeitig seit 20 Jahren mega glücklich mit meinem Mann. Was habe ich unter meinem Gewissen gelitten, bis ich Dich kennengelernt habe.

Ich bin eine erwachsene Frau von 42 Jahren und lebe viel im „das gehört sich so aber nicht“ oder „das darf man so nicht empfinden“. Egal worum es geht, überall schwinge ich eine Moralkeule und bin in der Verurteilung mit dem Gefühl / Bedürfnis / Empfinden, was gerade da ist. Ich bin eine schlechte Freundin für mich selber … Dabei ist es so schön, wenn man freundschaftlich mit sich selber sein kann und sich weniger bewertet. Dazu würde ich mir eine Podcastfolge wünschen.“

Bei diesem Thema denke ich aber, dass es sehr sehr viele Menschen (vor allem Frauen) betrifft: Das Problem, die eigenen Gefühle und Bedürfnisse sofort zu bewerten, wegmachen zu wollen oder anders haben zu wollen.

Woher kommt das?

Uns wird durch unsere Erziehung, durch unser Umfeld, die Gesellschaft… gezeigt, dass gewisse Gefühle und Sichtweisen okay sind und andere nicht. Was die Erziehung betrifft, ist das natürlich sehr individuell.

Manche Kinder lernen zum Beispiel, dass sie niemals wütend sein dürfen. Andere dürfen sich ’nicht zum Affen machen‘, andere werden am meisten geliebt, wenn sie möglichst brav sind und lächeln, usw. Wir lernen also schon in jungen Jahren, was Mama, Papa, Oma, Opa etc. okay finden und was wir nicht fühlen oder sagen dürfen.

Prägungen unserer Kultur, Religion und Gesellschaft

Wenn du alleine schon Deutschland mit Italien oder Spanien vergleichst, ist da ein riesiger Unterschied: Wer in Deutschland zu Mittag mal dreieinhalb Stunden sein Geschäft schließt, ist ein fauler Hund. In Italien ist das ganz normal.

Auch Religionen prägen uns: Wer sehr katholisch aufwächst, hat oft eine große Angst davor, sich ’schuldig‘ zu machen. Wenn du buddhistisch geprägt bist, hast du ganz andere Glaubenssätze verinnerlicht.

Das Schulsystem hat eine Wirkung auf uns. Es macht einen Unterschied, ob du in eine katholische Privatschule gegangen bist oder in eine Waldorf-Schule. Usw.usf.

Das heißt also:

Deine Erziehung und deine Umgebung prägen dich sehr individuell. Du lernst in deinen ersten Lebensjahren, welche Gefühle und welches Verhalten ‚okay‘ sind, was du zeigen darfst, und was nicht.

Als Menschen sind wir soziale Wesen. Das heißt, es ist essentiell wichtig für uns, uns zu einer Gruppe zugehörig zu fühlen. Wir beginnen also – aus unserem natürlichen Instinkt heraus – schon als Kinder zu scannen und zu schauen:

Was darf ich fühlen, wie muss ich mich verhalten, wie soll ich denken – um von der Gesellschaft anerkannt zu werden?

Dieses Glaubenskonstrukt, das erstmal nur im Außen existiert, internalisieren wir Schritt für Schritt.

Als Kinder sind wir bis zum 7. Lebensjahr überhaupt in einem Gehirnwellen-Status, der dem Zustand einer Hypnose gleicht (‚hypnotic brainwave state‘). Das heißt, alles, was wir bis dahin über die Welt lernen, prägt direkt und ohne Filter unser Unterbewusstsein und wird dann zu unserem inneren Dialog mit uns selbst.

Nach diesem inneren Dialog bewerten wir dann unsere eigenen, authentischen Gefühle und Gedanken in ‚gut‘ und ’schlecht‘.

So kann es zum Beispiel sein, dass…

…du dich verurteilst, wenn du keinen Abschiedsschmerz über das Weggehen der älteren Kollegin empfindest, weil du denkst: ‚Das gehört sich nicht so‘, ‚Ich sollte ihr wenigstens den Respekt erweisen…‘, usw.

…du dich verurteilst, wenn du Freude über das Kommen einer neuen Kollegin empfindest, weil du denkst: ‚Das ist egoistisch’…

Denn:

Der älteren Kollegin Respekt erweisen ist in deinem Gehirn als ‚gut‘, als ‚angebracht‘ abgespeichert; sich zu freuen, weil endlich mal frischer Wind weht, hingegen als ‚egoistisch‘.

Auch am Beispiel der Fremdliebe hat dein Gehirn internalisiert:

  • Treue und Liebesgefühle gegenüber dem eigenen Ehemann = gut, angebracht, anerkannt, richtig
  • Verliebtheitsgefühle gegenüber dem Kollegen = falsch, promiskuitiv, egoistisch, pubertär, unreif, unmoralisch, usw. – Was auch immer du eben gelernt hast.

Wenn du merkst, dass du dich in vielen unterschiedlichen Situationen ständig selbst bewertest und deine authentischen Gefühle schlechtredest, dann kann es hilfreich sein, dir zu überlegen:

  • Welche Gedanken wiederholen sich immer wieder – auch in unterschiedlichen Situationen?
  • Worauf läuft es immer wieder hinaus?

Das könnte ein Kernglaubenssatz sein, den du früh internalisiert hast.


Z.B.: ‚Ich bin egoistisch.‘, ‚Ich darf nicht egoistisch sein.‘, ‚Es darf nicht um mich gehen.‘
Oder: ‚Ich darf mich nicht freuen, wenn nebenbei andere Menschen traurig sind.‘
Oder: ‚Ich bin schuld an XYZ.‘

Kernglaubenssätze

Es gibt gewisse Kernglaubenssätze, die in unser ganzes Leben reinspielen. Wenn du einen ausfindig gemacht hast, schau, woher er kommt. Wer hat dir beigebracht, das zu glauben und warum?

Wenn du Klarheit darüber hast, fällt es dir leichter, ihn Schritt für Schritt loszulassen und dir deine authentischen Gefühle mehr zu erlauben und liebevoller mit dir umzugehen.

Tiefsitzende Glaubenssätze lösen sich selten über Nacht, aber wenn du dir darüber bewusst bist, kannst du leichter damit umgehen.

Wenn du alleine lernen möchtest, mit deinen Herausforderungen in deiner Partnerschaft umzugehen, sind meine Kurse genau richtig:

Freundschaftlich mit sich selbst umzugehen, bedeutet zu wissen:

  • Meine Gefühle dürfen da sein, so wie sie sind.
  • Meine Gefühle bestimmen nicht darüber, ob ich ein guter oder schlechter Mensch bin.
  • Mein Selbstwert ist inhärent. Als Person bin ich immer gleich gut. Egal, was ich fühle.
  • Gefühle sind nichts weiter als Energie in meinem Körper und sie dürfen da sein, wie sie sind. Sie gehen auch wieder vorbei.
  • Jeder Mensch hat Gefühle – angenehme und unangenehme. Das ist normal und ich brauche mich nicht dafür verstecken oder abwerten.

Wenn es dir schwerfällt, deine Gefühle einfach anzuerkennen und zu fühlen, kann es dir helfen zu erkennen, dass sie tatsächlich ’nur‘ körperliche Empfindungen sind.

Du kannst zum Beispiel beginnen, deine Gefühle und ihre Textur zu beschreiben:

  • ‚Ich fühle Wut: Mir ist heiß, ich kriege rote Flecken im Gesicht, ich hab einen starken Bewegungsdrang.‘ oder:
  • ‚Ich fühle Freude: Es kribbelt in meinem Bauch, mein Herz fühlt sich leicht an, ich möchte ständig grinsen.‘ usw.

Was du damit tust, ist, dem Gefühl Raum zu geben, ohne dich mit ihm zu identifizieren und ohne es zu bewerten.

Weil warum genau solltest du ein unmoralischer/egoistischer/… Mensch sein, nur weil du gerade ein Kribbeln im Bauch fühlst? Warum solltest du ein schlechter Mensch sein, nur weil dir gerade heiß ist?

Macht keinen Sinn, oder? Dir wegen ein paar körperlicher Empfindungen die Peitsche auf den Rücken zu hauen…

Wenn du das übst und verstehst, fällt es dir leichter, einen freundschaftlichen Umgang mit dir und deinen Gefühlen zu pflegen.

Denn:

Ein Gefühl zu haben sagt nichts über deine Persönlichkeit oder deinen Wert als Mensch aus.

Auch das ist normal. Unser Gehirn versucht dann, uns durch bestimmte Bewertungen zu schützen, damit wir diese Angst nicht fühlen müssen.

Wir identifizieren uns lieber mit dem alten Bewertungskonstrukt bzw. mit der Moralkeule, als unsere Gefühle zu fühlen. So wurde lange Zeit unser ’soziales Überleben‘ sichergestellt.

Wenn dich das betrifft, kannst du Schritt für Schritt beginnen, dir ein neues Bewertungssystem zu erarbeiten, das dir eine größere Bandbreite von Gefühlen erlaubt.

Das braucht bewusste Reflexion, Gedankenmanagement und Übung. Doch es lohnt sich!

Du darfst dir ERLAUBEN zu fühlen.

Das macht dich menschlich, manchmal unperfekt – und gerade dadurch authentisch und nahbar.

Auch auf meinem Blog gibt es viele Artikel – beispielsweise zu den Themen ‚Mit negativen Gefühlen umgehen‚, ‚Gedankenkarussell stoppen‚, usw.

Im Liebe Leben Membership sind meine Kolleginnen und ich sehr gerne für dich da und unterstützen dich dabei, einen freundschaftlicheren Zugang zu dir selbst und deinen Gefühlen zu üben.

Unterstützung findest du hier…

…werde Mitglied im Liebe Leben Premium Membership.

Dort kannst du anonym Fragen stellen und Antworten bekommen, du kannst Workshops besuchen und die Aufzeichnungen aller Coaching- und Q&A-Calls anschauen. Damit bekommst du genau das Coaching, das dich weiterbringt, ohne dass du selbst gecoacht werden musst. Und natürlich kannst du auch ein Coaching (und einen liebevollen Tritt in den A…) bekommen, wenn du das möchtest. Alle Online-Kurse sind in LLP enthalten.

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